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Kein Platz für Tiere – Asiens Artenvielfalt unter Druck

EOS Insight
26 January 2024 |
Asien ist eine Region mit großer Biodiversität, aber das Risiko der Zerstörung von natürlichen Lebensräumen ist aufgrund der schnell voranschreitenden Urbanisierung, der Ausweitung der Landwirtschaft und der Überfischung hoch. Sonya Likhtman untersucht die Risiken, denen die Region ausgesetzt ist, und die Folgen für den Dialog mit Unternehmen in Asien.

Sechs der 17 größten Megadiversity-Länder, d. h. der Länder mit der größten Artenvielfalt weltweit, liegen in Asien: China, Indien, Indonesien, Malaysia, Papua-Neuguinea und die Philippinen. Auch wenn sich nur schwer allgemeine Aussagen zu diesem riesigen Kontinent treffen lassen, zeichnet er sich doch durch eine Reihe von spektakulären und artenreichen Ökosystemen aus, darunter tropische Regenwälder, Korallenriffe, Feuchtgebiete, Wälder der gemäßigten Zonen und Mangrovenwälder.

Es gibt zahlreiche Gebiete mit besonders großer biologischer Vielfalt, die zahlreiche Arten beherbergen, die nur an diesen Orten vorkommen und in hohem Maße vom Aussterben bedroht sind. Die Biodiversität und die damit verbundenen Ökosystemleistungen haben einen hohen sozialen und wirtschaftlichen Wert für die Menschen in ganz Asien, einschließlich vieler indigener Gemeinschaften. Die Natur ist unverzichtbar für die Versorgung mit Nahrung, Wasser und Brennstoff, für die Gesundheit, die kulturelle Identität und die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel, wobei Mangroven eine Schlüsselrolle bei der Minderung des Hochwasserrisikos spielen. 

Dennoch ist das Risiko eines Verlusts der Biodiversität in Asien insgesamt hoch. Der Living Planet Index zeigt, dass die durchschnittliche Größe des Artenbestands in Asien und im Pazifik zwischen 1970 und 2018 um 55 % zurückgegangen ist. Untersuchungen zeigen zudem, dass Asien der Kontinent mit der geringsten Ausdehnung von Schutzgebieten ist. Im Jahr 2020 standen lediglich 13,2 % der Flächen unter Naturschutz. Die west- und zentralasiatischen Länder schneiden besonders schlecht ab. Dies wirft die Frage auf, ob einige Länder in Asien tatsächlich in der Lage sein werden, bis 2030 mindestens 30 % der Land- und Meeresgebiete mit hohem Biodiversitätswert zu erhalten und nachhaltig zu bewirtschaften, wie im Globalen Biodiversitätsrahmen von Kunming-Montreal (GBF) vereinbart. 

Biodiversität unter Druck

Das Risiko eines Verlusts der Biodiversität in Asien ist aufgrund einer Kombination miteinander verwobener Faktoren hoch. Asien ist der größte und am dichtesten bevölkerte Kontinent, auf dem derzeit knapp 60 % der Weltbevölkerung beheimatet ist. Die Urbanisierung in Asien ist schnell und mitunter ungeplant verlaufen, was den Druck auf Land, Energie und andere Ressourcen erhöht hat. Die wirtschaftliche Entwicklung hat vielen Menschen den Weg aus der Armut geebnet, aber oftmals auf Kosten der Natur.

Etwa 90 % des weltweit geernteten Reises wird in Asien angebaut, neben Export-Agrarprodukten wie Tee, Kautschuk, Palmöl und Kokosnüssen. Die Ausweitung der Landwirtschaft für den lokalen Bedarf und zur Versorgung der internationalen Märkte hat artenreiche Lebensräume unter Druck gesetzt, insbesondere dort, wo eine intensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung und Monokulturen vorherrschen.

In jüngster Zeit hat die Nachfrage nach wichtigen Mineralien für Elektrofahrzeugbatterien das Risiko des Verlusts der Biodiversität noch einmal erhöht. Das schnelle Wachstum des Nickelabbaus in Indonesien hat beispielsweise zur Abholzung von Wäldern, Umweltverschmutzung und Vertreibung lokaler Communities geführt. Dies macht deutlich, dass Elektrofahrzeuge zwar eine Schlüsselrolle bei der Energiewende spielen werden, Investoren sich jedoch zwingend mit den damit verbundenen Beschaffungsrisiken befassen müssen.

Gleichzeitig ist die biologische Vielfalt der Meere durch Überfischung und schädliche Fangpraktiken wie die Grundschleppnetzfischerei bedroht, die häufig mit der illegalen und unregulierten Fischerei in Südostasien in Zusammenhang stehen. Auch die Verschmutzung durch Plastik stellt weiterhin eine Herausforderung für die Ökosysteme der Flüsse und Meere dar, wobei über 60 % des weltweit unsachgemäß entsorgten Plastikmülls auf Asien entfällt.

Gesunde Ökosysteme sind für den langfristigen Wohlstand von grundlegender Bedeutung, weshalb die momentane Umweltzerstörung in der Zukunft weitere Probleme nach sich ziehen kann. Tatsächlich haben Untersuchungen gezeigt, dass 99 der 100 Städte weltweit, die am stärksten von Umwelt- und Klimarisiken betroffen sind, in Asien liegen, davon 37 in China und 43 in Indien. Der Schutz und die Wiederherstellung der natürlichen Lebensräume in Asien ist eine wesentliche Voraussetzung für die langfristige Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung.

Ergänzend zu den bestehenden Bemühungen in wichtigen Bereichen wie Unternehmensführung und Klimawandel sollten sich Anleger aktiv für Naturschutzthemen einsetzen.

Lösungsansätze

Der Privatsektor spielt neben Regierungen und anderen Interessengruppen eine wichtige Rolle beim Kampf gegen den Verlust der Biodiversität in Asien. Ergänzend zu den bestehenden Bemühungen in wichtigen Bereichen wie Unternehmensführung und Klimawandel sollten sich Anleger aktiv für Naturschutzthemen einsetzen.

Wir erwarten von Unternehmen, dass sie dem Verlust der biologischen Vielfalt zu Wasser und zu Land in ihrer gesamten Wertschöpfungskette entgegenwirken und so den Verlust der Biodiversität bis 2030 aufhalten bzw. umkehren, wie es im Rahmen des GBF vereinbart wurde. Unternehmen sollten ihre Auswirkungen, Abhängigkeiten, Risiken und Chancen in Bezug auf die Umwelt im Einklang mit den Empfehlungen der Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) bewerten und offenlegen. Die Erkenntnisse aus der TNFD-Bewertung sollten genutzt werden, um eine Strategie mit zeitgebundenen Zielen zu entwickeln und die wichtigsten umweltbezogenen Risiken und Auswirkungen in Angriff zu nehmen. Unternehmen sollten sich darauf konzentrieren, die Überwachung der Lieferkette und das Management umweltrelevanter Aspekte zu stärken, einschließlich der Sicherstellung eines fundierten Bewusstseins auf Vorstandsebene und der Ausrichtung ihrer Lobbypositionen.

In Asien liegen die Schwerpunkte auf Entwaldung, regenerativer Landwirtschaft, nachhaltiger Versorgung mit Proteinen und der Umweltverschmutzung durch Plastik. So sind wir beispielsweise an die beiden chinesischen Milchproduzenten Inner Mongolia Yili Industrial Group und China Mengniu Dairy herangetreten, um ihren Ansatz in Bezug auf die Biodiversität und die Offenlegung im Einklang mit den Empfehlungen der TNFD zu erörtern. In Japan haben wir auf Yakult Honsha und das Handelshaus Mitsubishi Corp. in Bezug auf die Entwaldungsrisiken in ihrer Lieferkette eingewirkt, woraufhin Yakult Honsha im Jahr 2023 eine öffentliche Selbstverpflichtung zur entwaldungs- und umwandlungsfreien Beschaffung einging. Wir werden unseren Dialog bezüglich einer nachhaltigen Fischerei mit der Mitsubishi Corp. fortsetzen und arbeiten dabei mit FAIRR im Rahmen der Seafood Traceability Engagement Initiative zusammen.

Darüber hinaus haben wir einen Dialog mit Finanzinstituten in Asien, darunter AIA, DBS Group und Sumitomo Mitsui Financial Group, bezüglich der Auswirkungen ihrer Finanzierungstätigkeit auf die Biodiversität und der damit verbundenen Abhängigkeiten begonnen. Dies baut auf unserer Erfahrung beim Dialog zur Finanzierung von Palmöl mit der Bank Rakyat und der Bank Central Asia in Indonesien auf. Wir begrüßten die Veröffentlichung des ersten TNFD-Berichts der Sumitomo Mitsui Financial Group im Jahr 2023.

Wir erwarten ferner von den Unternehmen, dass sie sich auf neue umweltbezogene Richtlinien und Vorschriften vorbereiten, sowohl im Inland als auch international. So wird die EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten Auswirkungen auf asiatische Unternehmen haben, die auf dem EU-Markt mit Palmöl, Rindfleisch, Holz, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Soja handeln. Unternehmen müssen Rohstoffe bis zur Quelle zurückverfolgen und unterliegen einer verstärkten Sorgfaltspflicht, um den Nachweis zu erbringen, dass sie nicht mit der Abholzung von Wäldern in Verbindung stehen. Die Gesetzgebung wird sich zudem auf den Umgang mit Menschenrechten und den Rechten indigener Völker konzentrieren, die häufig eng mit dem Engagement für die Biodiversität verbunden sind.

Ebenso wichtig ist es für Unternehmen außerhalb Asiens, ihre asiatischen Lieferketten zu überprüfen, da diese möglicherweise ihre größten umweltbezogene Risiken und Auswirkungen bergen. Angesichts des hohen Risikos eines Verlusts der Artenvielfalt und der einzigartigen Herausforderungen, denen sich der Kontinent gegenübersieht, ist es für Unternehmen und Anleger von entscheidender Bedeutung, das Thema der Biodiversität in Asien stärker in den Fokus zu rücken.

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